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Besprechung zur Chemo

  • Autorenbild: Manuel Müller
    Manuel Müller
  • 24. Okt. 2019
  • 5 Min. Lesezeit

Ich rufe wie geplant in der Klinik an, um einen Termin zur Besprechung meiner Chemo-Therapie zu bekommen. Der Termin soll die Woche drauf am Montag stattfinden.

An dem Montag fahre ich wie geplant zusammen mit meiner Freundin in die Klinik. Die zuständige Ärztin kommt auch direkt zu Sache und sagt mir, dass sie schon die Woche drauf am Montag mit der Chemo starten möchte. "Wenn das nicht geht, dann kann ich Ihnen noch die Woche drauf anbieten." (Zu dem Zeitpunkt haben wir Ende August)

"Ähm.. halt. Mein Plan sieht etwas anders aus." Mit meiner Freundin habe ich geplant noch in den Urlaub zu gehen und anschließend "irgendwann Mitte/Ende Oktober anzufangen". Ich möchte mich mental gut vorbereiten und außerdem den Sommer noch genießen und nicht im Krankenhaus verbringen.

Das ist der Ärztin offensichtlich sehr unrecht. Wir einigen uns auf einen Kompromiss. Ich gehe die Woche drauf ins MRT. Wir checken meinen kompletten Oberkörper, ob irgendetwas "Böses" zu finden ist. Sollte da alles gut, kann ich Mitte Oktober starten.

Einverstanden. Es ist eh alles gut. Ich bin kerngesund. Ich bin fit. Als ob da irgendwas ist.

Wie besprochen geh ich die Woche drauf zum MRT. "Sehr gut machen sie das, die Bilder werden super.", sagt die Arzthelferin. Auch das bestärkt meine Vorstellungen von einem kerngesunden Körper.

Weit gefehlt, wie sich die Woche drauf bei der Besprechung der Bilder herausstellt.. Schon bei der Begrüßung der Ärztin lässt sich eine weniger schöne Nachricht erahnen. Ihr irgendwie besorgter Gesichtsausdruck und die allgemeine Stimmung hat mir gar nicht gefallen. Im Besprechungszimmer angekommen schaut sie mir in die Augen und sagt erst mal nichts. Dann sagt sie: (Ich kann mich noch an jedes Wort erinnern) "Herr Müller, ich muss Ihnen leider einen Strich durch ihre Rechnung machen. Den Urlaub im September müssen sie streichen. Sie haben Metastasen in den Lymphknoten. Ein Zyklus Chemo wird da nicht reichen. Sie werden drei Zyklen machen müssen. Und wir sollten schnellstmöglich damit anfangen. Start wird in 2 Wochen sein." (1 Zyklus = 3 Wochen)

"Was?", mehr sage ich in dem Moment nicht. "Es tut mir leid."

Für den Rest der Besprechung bin ich geistig abwesend. Ich hatte mir zwar ein paar Fragen aufgeschrieben, die hab ich auch gestellt und beantwortet bekommen, aber aufnahmefähig bin ich in dem Moment nicht mehr. Die Diagnose ist ein Schlag ins Gesicht. Nein, eher schlimmer. Ich muss mir eingestehen: Jetzt bin ich wirklich richtig krank. Jetzt hab ich einfach ganz offiziell Krebs. Was für eine Scheiße!

Im ersten Moment kommen in mir nicht mal Fragen auf. Ich bin einfach leer, höre der Ärztin nicht zu, schaue in die verweinten Augen meiner Freundin und warte bis das "Gespräch" zu Ende ist.

Nach dem Gespräch komme ich mir vor wie im (falschen) Film. Wir stehen im Flur der Station, ich nehme meine Freundin in den Arm, wir beide weinen, sind ratlos und stinksauer. Uns beiden fällt es schwer die Situation zu akzeptieren. Draußen informiere ich zuerst meinen Papa. Er wird die Nachricht noch am besten verkraften. Am Telefon habe ich bis heute zum letzten mal geweint. Er hat sowas gesagt wie: "Scheiße. Aber auch das schaffen wir zusammen, Manu!" Er hat recht. Was bringt es, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken. Wir müssen immer weiter machen. Auch die jetzt vorgesehenen neun, anstatt drei Wochen Chemo sind eine absehbare Zeit.

Anschließend informiere ich Mama, meine besten Freunde und meine Chefin. Von allen erfahre ich von der ersten Sekunde an absolute Rückendeckung. Sogar meine Chefin sagt mir, ich solle mir so viel Zeit nehmen wie ich brauche. Ich soll mir die nächsten zwei Wochen voll freinehmen und nochmal entspannen. Das kann ich gut gebrauchen. Danke Chef.

Den Tag über kommen dann doch noch viele verschiedene Fragen auf. Sowohl emotionale, als auch sachliche Fragen: Warum ich? Ich versuch doch immer gut zu sein, bin nett zu meinen Mitmenschen, hab ich das ernsthaft verdient? Es gibt doch viele andere Arschlöcher!

Wie lange werde ich außer Gefecht sein? Wann kann ich wieder kicken? Kann ich im November nach Malta fliegen auf den Geburtstag von einem meiner besten Freunde? Ich hab extra aufgehört zu Rauchen! Ist das der Dank? Wie verarbeite ich das Ganze? Rede ich offen drüber? Mach ich das mit mir selbst aus? Ab wann fall' ich ins Krankengeld? Wie viel Geld hab ich dann zur Verfügung? Fragen über Fragen, die heute alle geklärt sind.

Lange Rede, kurzer Sinn: Der Tag der Diagnose war echt scheiße. Ich weiß nicht, ob das normal ist, aber schon am Tag drauf nehme ich den Kampf an. Es gibt einfach Situationen, die kannst du nicht ändern. Auf Instagram lese ich zufällig zwei Zitate: "Wenn du die Situation nicht ändern kannst, dann ändere deine Einstellung dazu." und "Fighting my tumor with humor." Krass oder? Ich entschließe mich dazu so positiv, wie nur möglich da rein zu gehen. Ich höre absichtlich auf zu googeln, um möglichst wenig negative Info an mich heranzulassen. Außerdem will ich meine körperliche und vor allem mentale Fitness so hoch pushen, wie es geht. Mein Körper soll top fit sein bevor er mit Gift vollgepumpt wird. Ich bin davon überzeugt, dass ich die neun Wochen dann weitaus besser wegstecken werde. Außerdem achte ich besser auf meine Ernährung. Zum Beispiel nehme ich täglich die empfohlene Menge an Obst und Gemüse zu mir. Ich fange wieder intensiver an zu Meditieren, mache sogar hin und wieder Yoga, was mir aber sehr schwer fällt, da ich nicht mal dazu in der Lage bin einen Schneidersitz zu machen... Konnte ich noch nie. Bei mir sieht das definitiv nicht so geschmeidig aus wie bei den Leuten da auf Youtube. (Ich möchte in einem weiteren Kapitel noch intensiver in meine Chemo-Vorbereitung eingehen, bzw. was ich begleitend zu mir nehme, etc)

Jetzt sind es noch zwei Wochen bis zum Start. Am Freitag fahre ich mit meiner Freundin ins Allgäu. Wir gönnen uns einen Tag Luxus in einem Spa. Das war mega. Wir gehen tiefenentspannt ins Wochenende. In der letzten Woche zuhause, mache ich nochmal sehr viel Sport. Generell mache ich nur noch worauf ich Lust habe. Ich lass es mir richtig gut gehen. Am Freitag hat meine Freundin Geburtstag. Diese hammer Frau hat ein richtig geiles Geschenk verdient. Also investiere ich auch da sehr viel Zeit rein. Abends gehen wir dann noch mit ein paar Freunden nach Stuttgart, "gemütlich" was Trinken. Das ganze ist letztendlich beim ein oder anderen leicht eskaliert.. Kann man sich aber auch mal gönnen.

Am Sonntag gehen wir mit Mama in die Kirche. Anschließend spricht uns der Pastor an und versichert mir, dass die Gemeinde für uns beten wird. Auch das zu wissen tut irgendwie gut. Die Leute kennen mich nicht mal wirklich und trotzdem denken sie täglich an mich. Ist doch schön.

Nachmittags habe ich dann mein vorerst letztes Fußballspiel. Groß auf das Spiel möchte ich nicht eingehen. Das war nämlich nicht so toll. Die Stunden danach waren dafür umso schöner. Einfach ein geiles Gefühl, nach einem Spiel mit den Jungs zusammen zu sitzen, das ein oder andere Bierchen zu trinken und blödes Zeug reden. Richtige Männersachen halt. Auch hier wird mir nochmal klar, dass ich so viele geile Leute hinter mir hab. Wenn ich irgendetwas brauche, dann reicht im Prinzip ein Anruf und 11 Mann stehen in meinem Zimmer. Geil.

Als ich abends zuhause bin und meine Tasche packe, bekomme ich doch langsam ein mulmiges Gefühl. Ich weiß halt wirklich nicht, was auf mich zukommt. In der Nacht schlafe ich sehr schlecht. Eigentlich schlafe ich gar nicht. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mir nochmal so viele Gedanken machen werde. Werd ich das gut wegstecken? Was, wenn ich nur am kotzen bin? Ich hab echt gar kein Bock darauf. Poah gleich 3 Uhr, nur noch 4 Stunden. Und dann geht's auch schon los..





 
 
 

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