Zurück im Leben
- Manuel Müller
- 1. Okt. 2019
- 3 Min. Lesezeit
Die erste Woche zu Hause ist absolut keine schöne Woche für mich. Jede Bewegung schmerzt. Meine Nerven im Oberschenkel sind einfach noch zu gereizt. Alleine das Aufstehen am Morgen dauert zum Teil schon eine halbe Stunde. Im Krankenhaus hatte ich eine "Hilfe" über meinem Bett hängen. Die hab ich zuhause natürlich nicht. Egal, wie ich mich also bewege, es fühlt sich an, als würde ein Messer in meinem Schenkel stecken. Am zweiten Tag bin ich so sauer auf die Gesamtsituation, dass ich im Wohnzimmer stehe, ich mich nicht bewegen kann und mir einfach die Tränen in die Augen schieße. Dann wird mir klar, dass ich seit ein paar Tagen Schmerzen habe und diese zu 100% bald verschwinden werden. Manche Menschen leiden jeden Tag und können nie wieder gehen.
Wieder ein mal wird mir bewusst, wie dankbar man für absolut banale Kleinigkeiten im Alltag sein sollte. Als ich nach 3 Tagen das erste mal wieder ganz ohne Hilfe aufs Klo sitzen kann, bin ich unfassbar stolz und glücklich! Ab dem Zeitpunkt geht eigentlich alles recht schnell. Die Schmerzen werden jeden Tag schwächer und ich kann langsam aber sicher wieder "ganz normal" leben. Die meiste Zeit verbringe ich aber vor der PlayStation. Da muss ich mich nicht bewegen. Außerdem bin ich eine Maschine in Fifa.
Mittlerweile bin ich schmerzfrei. Ich mache wieder Sport, gehe zu Arbeit, gehe Feiern. Meine große Angst, der Ballermann-Urlaub am 14.07. würde für mich ausfallen, ist damit auch beiseite gelegt. Ich bin also wieder ganz der Alte.
Eine Woche nach der Operation werden meine Fäden gezogen. Außerdem bespricht man mit mir den weiteren Verlauf meines Genesungsprozesses. Ich fahre am Morgen gut gelaunt ins Krankenhaus und bin froh, mit dem Entfernen der Fäden, dieses Thema abzuschließen und endgültig hinter mir zu lassen.
Pustekuchen. Der Oberarzt macht mir relativ schnell einen Strich durch die Rechnung. Die Ärzte haben festgestellt, dass es sich in meinem Fall um einen sogenannten Keimzelltumor handelt. Bei diesem spezielleren Krankheitsbild besteht die übliche Therapie aus einem Zyklus Chemo-Therapie, nachdem der Tumor entfernt wurde. Quasi vorbeugend. Man sagt, dass das Risiko auf eine Neuerkrankung nach einem Hodentumor meiner Art bei ca 15-20% liegt. Nach einem Zyklus Chemo würde das Risiko auf ca 2% minimiert. Der Oberarzt legt mir den einen Zyklus wärmstens ans Herz. Zumal ich als sportlicher, junger Mann diesen gut wegstecken werde. Die Entscheidung liegt jetzt bei mir. Der Schock sitzt erst mal tief, also beschließen meine Freundin und ich, den Sommertag draußen zu verbringen, etwas trinken zu gehen und genau abzuwägen. Am Abend kommen dann noch Freunde dazu und wir gehen die möglichen Optionen durch.
Ich persönlich bin zu dem Zeitpunkt auf dem Stand, dass ich die Chemo nicht mache. Letztendlich verspreche ich aber meiner Freundin, dass ich den einen Zyklus durchziehen werde. Was sind schon 3 Wochen, wenn man dafür das Risiko so drastisch senken kann.
Der Entschluss steht also. Trotzdem setze ich mich in der folgenden Zeit immer mehr mit alternativen Therapiemethoden auseinander. Ich lese Bücher, bin viel auf audible unterwegs (Lesetipps kommen später) und bekomme von allen Seiten Tipps. Was darf ich, was darf ich nicht, was soll ich essen und trinken? Was auf keinen Fall? Immer wieder spiele ich mit dem Gedanken, dass ich die Chemo doch nicht brauche. Ich setze mich mittlerweile viel mit meinem Körper auseinander und fange sogar tatsächlich an zu Meditieren. Anfangs irgendwie befremdlich, tut es mir mit der Zeit richtig gut. Ich komme zu Ruhe, bin absolut entspannt und habe klare Gedanken.
Jetzt aber erst mal Malle. Urlaub fürs Gehirn.
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